Am liebsten mag ich das Herz
Adelisa Radulevic stammt aus der bosnischen Stadt Prijedor, 750 km von München entfernt, ist 22 Jahre alt und Schülerin an der Mitterfelder Akademie für Pflegeberufe. Warum sie das so gerne macht, was sie am meisten fasziniert und wie es ihr in drei Jahren Deutschland ergangen ist, erzählt sie an einem Augustnachmittag zu Ferienbeginn gut gelaunt im Interview.
Frage: Aufgeregt?
Adelisa: Ein bisschen, aber das kriegen wir schon hin (lacht).
Frage: Wie sind Sie darauf gekommen, Krankenpflegerin zu werden?
Adelisa: Es hat mich schon immer fasziniert, Menschen zu helfen oder gar Menschenleben zu retten. Ich wollte schon immer Krankenschwester sein, das war mein Traum. Außerdem habe ich erste Erfahrungen gemacht, als ich mit meiner Mutter meine Oma gepflegt habe. Ich hatte dabei ein gutes Gefühl. Dann habe ich eine Ausbildung gemacht, Bürokauffrau, aber das war nichts für mich. Krankenschwester – das ist mein Ding, wie man so sagt.
Frage: Und warum Deutschland?
Adelisa: Gute Frage, man kann auch in Bosnien Krankenschwester lernen, es gibt gute Schulen. Aber die Perspektiven für junge Menschen sind in Deutschland besser.
Frage: Obwohl man erst mal eine sehr schwere Sprache lernen muss?
Adelisa: Ein kleines bisschen Deutsch haben wir schon in der Schule gemacht. Aber für das Visum in Deutschland musste ich intensiv Deutsch lernen, man braucht Niveau B1, also habe ich in Sarajewo Deutsch gelernt.
Frage: Und wie ging es dann weiter?
Adelisa: Vor drei Jahren bin ich nach Deutschland gekommen. Zuerst habe ich ein Jahr eine Pflegefachhelfer-Ausbildung gemacht und jetzt mache ich die generalistische Ausbildung.
Frage: Dass sie zu den „Mitterfeldern“ gekommen sind – war das geplant oder Zufall?
Adelisa: Geplant! Dort wo ich meine erste Ausbildung gemacht habe, haben mir mein Arbeitgeber und eine Kollegin von der Mitterfelder Akademie erzählt und nur Gutes gesagt. Und sie hatten Recht, auch meine Erfahrungen hier sind super.
Frage: Wie viel Wochenarbeitszeit haben Sie eigentlich?
Adelisa: 40 Stunden, aber es ist immer unterschiedlich, wir bekommen einen Plan von der Schule: Wann ist Unterricht, wann ist praktischer Einsatz. Deshalb ist es unterschiedlich.
Frage: Darf ich fragen, was Sie in Ihrer Freizeit machen?
Adelisa: Ich gehe gerne mit Freunden ins Café oder was essen. Und Natur mag ich gerne und malen auch.
Frage: Wie war der Anfang in Deutschland? Ist es Ihnen schwergefallen, in Deutschland Freunde zu finden?
Adelisa: Also der Anfang war schon schwer, die ersten sechs Monate, mit der Sprache und so. Aber die Schule hat geholfen, außerdem gibt es da Leute, die das gleiche Ziel haben. Das hilft schon weiter. Heute habe ich Freunde in München und in Bosnien! Es gibt auch hier in München viele bosnische Landsleute, mit denen ich mich super verstehe. Das war am Anfang wegen der Sprache natürlich praktisch.
Frage: Die Akademie macht eigene Sozialarbeit für Schülerinnen und Schüler. Was haben Sie da für Erfahrungen?
Adelisa: Also, die Schulsozialarbeit ist schon gut und wichtig. Man muss nur einen Termin ausmachen und schon ist jemand da, mit dem man reden kann. Ich hab es allerdings ganz gut auch so hingekriegt mit Freunden und Kontakten.
Frage: Was war für Sie am Anfang das Schwierigste?
Adelisa: Die Sprache, noch dazu mit Dialekt. Die ersten sechs Monate hatte ich oft Heimweh. So lange hat es gedauert, bis ich mich an mein neues Leben gewöhnt habe. Damals bin ich zwischendurch öfter mal nach Hause gefahren. Inzwischen nur noch zwei Mal im Jahr. Jetzt im Sommer wieder eine Woche.
Frage: Reden wir noch mal über Schule und Ausbildung. Was ist Ihr Lieblingsfach?
Adelisa: Anatomie. Das ist superinteressant. Beim praktischen Einsatz war ich in der Kardiologie. Von allen Organen mag ich das Herz am liebsten. Es ist faszinierend. Wie es aufgebaut ist, wie es funktioniert.
Frage: Haben Sie in letzter Zeit etwas besonders Schönes oder Berührendes erlebt, das Sie uns erzählen können?
Adelisa: Vor Kurzem war ich in der Pädiatrischen Abteilung im Einsatz. Dort habe ich zum ersten Mal eine Geburt mit Kaiserschnitt erlebt. Das war sehr berührend. Zu sehen, wie ein kleiner Mensch zur Welt kommt und seinen ersten Atemzug tut. Das ist sehr inspirierend.
Frage: Möchten Sie noch etwas erzählen, vielleicht auch mal loswerden, was Ihnen auf die Nerven geht?
Adelisa: Nöö, ich bin echt zufrieden, ich fühle mich wohl. In der Schule, in der Klasse, in Deutschland. Wir sind auch da, um uns gegenseitig zu helfen. Und ich sage das jetzt nicht wegen des Interviews. Ich meine das wirklich so. Ach ja, doch, eines nervt: Das Wetter in Deutschland. Da ist es mal schön, dann kommt schon wieder das nächste Gewitter. Das ist doof.
Frage: Gibt es noch etwas?
Adelisa: Ja, ich habe auch eine Frage: Wie geht es Ihnen? Sie haben mich am Anfang gefragt, wie es mir geht. Jetzt frage ich, wie es Ihnen geht.
Frage: Oh, das ist überraschend. Ja, danke, es geht mir gut. Weil das Interview mit Ihnen sehr viel Freude gemacht hat. Ich danke Ihnen dafür und für Ihre Zeit.
Adelisa: Ich danke Ihnen auch. Mir hat es auch viel Spaß gemacht.
Das Interview wurde geführt von Wolfgang Kehl